Inhaltsverzeichnis
Aus Bofsheims Geschichte
Walter Goll, in: 125 Jahre Chorgesang in Bofsheim (1992)
Wie alt ist Bofsheim?
Genauer , seit wann ist Bofsheim durchgehend besiedelt?
Schriftliche und archäologische Zeugnisse darüber fehlen . Doch aufgrund des Namens und der Lage des Ortes läßt sich sein Alter schätzen : Seit dem 6./7. J ahrhundert könnte der Ort durchgehend bewohnt sein. Der Name Bofsheim setzt sich zusammen aus einem Vornamen= Eigennamen, also in etwa: Das Heim des Boffes. Bofsheim wird heute in Bofsheim selber gesprochen als Boffdsche.
Vor dem 6. Jahrhundert lebten auf der Bofsheimer Gemarkung auch Menschen, belegt sind aus römischer Zeit der Limes mit 3 Wachthäusern und eine Villa Rustica (= römischer Bauernhof) im Gewann Hännehaus.
Von den Nachbarorten dürften Götzingen („Götzingheim“) , Sindolsheim, Rinschheim und Osterburken („Burgheim“) ungefähr gleich alt wie Bofsheim sein, während Eberstadt, Schlierstadt, der Dörrhof, Rosenberg und die abgegangenen Siedlungen Gies, Heristadt (Gemarkung Schlierstadt), Reinstetten (Gemarkung Eberstadt) wohl jünger als Bofsheim sind.
Die erste schriftliche Erwähnung Bofsheim stammt aus dem Jahre 1270. Damals verkaufte das Kloster Seligental eine Wiese zu Krähenwinkel (ein heute unbekannter Flurname) an vier Bofsheimer Bauern.
Die Güter
Mittelpunkt des Ortes ist der Amorbacher Hof (die heutigen Häuser Keller, Unangst, Keller und Matter), ein Fronhof des Klosters Amorbach. Dieser Hof mit seinen zugehörigen Feldern („Hofäcker“), Wiesen und Wäldern („Hofholz“) wurde von einem Pächter bewirtschaftet. Der Pächter mußte einen Teil des Ertrages, möglicherweise die Hälfte, an das Kloster abtreten. Um den Hof herum siedelten dem Kloster leibeigene Bauern, die dem Pächter Frondienste leisten mußten und zu ihrem eigenen Unterhalt Grundstücke (Huben, Lehen oder Güter genannt) gegen Zins vom Kloster Amorbach geliehen bekamen. Diese Fronbauern mußten den zehnten Teil ihrer Ernte (den Zehnten) an das Kloster liefern. Bereits 1395 sind alle Güter durch Realteilung in den Besitz verschiedener Familien gelangt. Trotzdem gehört jedes Haus und jedes Grundstück zu einem bestimmten Gut. Diese Zugehörigkeit läßt sich bis 1800 verfolgen und mit viel Mühe könnte sie heute noch rekonstruiert werden. Die Namen der Güter stammen von ihren ehemaligen Besitzern wie Bleschengut, Seizengut, Salmensgut. Sie leben fort in Flurnamen oder sind nach Flurnamen benannt (weil dort ihre Grundstücke lagen): Lampertsgut („Lampertsbirke“), Haintalgut („Haintal“), Burkemerholzgut („Burkemerholz Wiesen“) , Ansbacher Gut („Ansbach“) Käutzleins Gut („Käutzlein“), Zipfen Gut („Zipfe“).
Später wurde das Hofgut, wie die anderen Güter schon immer, als Erbleihe an verschiedene Bauern vergeben, wobei die Grundstücke, die zum Hof gehörten, zehntfrei und die Inhaber fronfrei blieben. Die linke Seite des Rinschbaches („diesseits der Bach“) könnte später als die Kirchenseite („jenseits der Bach“) besiedelt worden sein, doch muß dies schon vor 1333 geschehen sein.
Die Ortsherrschaft
Die Ortsherrschaft mit Gebot und Verbot, einem Teil der Gerichtsbußen und einer Steuer, genannt Branntwein, die Jagd und der Fischfang gelangte vom Kloster Amorbach über die Klostervögte, die Grafen von Dürn, an deren Untervögte, die niederadligen Herren Rüdt von Bödigheim, Gabel von Buchen, von Helmstatt, von Rosenberg, von Aschhausen, von Rossriet, von Dürn.
In der Reformationszeit ist die Ortsherrschaft und auch ein Teil der Güter ganz im Besitz verschiedener Linien der Herren von Rosenberg. Nach deren Aussterben gelangten diese Rechte als Würzburger Lehen 1632 an die Grafen von Hatzfeldt, die sie 1730 an die Fürsten von Löwenstein - Wertheim verkauften. 1806 kam Bofsheim zum Großherzogtum Baden.
Bofsheim gehörte vor 1713 zur Cent Buchen , die sich im Eigentum des Erzbistums Mainz befand. Die Centhoheit beinhaltete die Hohe Gerichtsbarkeit, den Kriegsdienst und die Musterung (um 1600 muß Bofsheim 31 Mann, zwei Pferde und zusammen mit zwei anderen Gemeinden einen Wagen stellen), das Nacheilen, die Verfolgung von gesuchten Personen und der Bezug des Centhafers. Bofsheim entsandte einen Schöffen, den Centschöpf, zu den Sitzungen des Centgerichts. 1713 kauften die Grafen von Hatzfeld die Cent und bildeten eine eigene Cent Rosenberg, wohin Bofsheim zwei Centschöffen stellen durfte.
Die Kirche, die Schule und der Konfessionsstreit
Eine Kirche wird 1333 zum erstenmal genannt, aber es gab sicher schon vorher eine Kirche. Der heutige, bei hiesigen Kirchen des Mittelalters selten anzutreffende, runde und im Westen des Schiffes angebaute Turm stammt, laut Jahresringzählung am Eichenholz einer zum Bau des Turmes verwendeten Gerüststange, von 1380. Ein Teil des Schiffes dürfte genau so alt sein. (Der Wehrturm beim katholischen Pfarrhaus in Osterburken dürfte aus der gleichen Zeit stammen.) 1755 wurde der eigenartige Helm und möglicherweise auch die achteckige Glockenstube des Kirchturms errichtet. Der Zugang zum Turm erfolgte durch eine Tür vom Schiff her. Heute ist diese Tür zu einem Fenster verbaut. Damals wurde eine Außentür in den Turm gebrochen. 1777 wurde der mit einem Kreuzrippengewölbe versehene Chor wegen Rissen im Gewölbe abgebrochen und so breit wie das Kirchenschiff wieder aufgebaut. Die Kirche könnte einst dem Heiligen Leonhard geweiht gewesen sein. Den Kirchhof umgab eine Mauer mit Zwinger. Auf oder an der Mauer saßen kleine Speichergebäude, eventuell unterkellert, sogenannte Gaden. Jede Familie besaß Teile eines oder mehrere Gaden. Darin bewahrten sie ihre gesamten Getreidevorräte sicher vor Brand und Diebstahl auf, denn bei Kriegsgefahr konnten die Einwohner in den Kirchhof flüchten.
Die Gaden standen bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. Die Herren von Rosenberg führten in Bofsheim die Reformation durch. Seit dieser Zeit gibt es eine Schule in Bofsheim. Der Schulmeister wohnt im Schul- und Rathaus neben der Kirche. Die katholischen Grafen von Hatzfeld versuchen im ganzen Amt Rosenberg 1671 die Gegenreformation durchzuführen. In Bofsheim wird sechsmal im Jahr in der lutherischen Kirche vom katholischen Pfarrer aus Rosenberg die Messe gehalten. Und einige Jahre später, während der Verpfändung Bofsheims an den Deutschen Orden in Mergentheim, wird anstelle eines evangelischen Schulmeisters ein katholischer eingesetzt, obwohl zu dieser Zeit hier nur eine katholische Familie lebte. Die evangelischen Einwohner schickten ihre Kinder daraufhin nach Bödigheim, zeitweise auch nach Sindolsheim in die Schule. Ein Schulgeldboykott wird durch Militär unterdrückt. Schließlich beschäftigt die evangelische Gemeinde auf ihre Kosten einen eigenen Lehrer und baut 1715 zu diesem Zweck ein kleines Schulhaus (die spätere Schnabelschmiede bei der Kirche). Mitglieder der katholischen Familien werden vom Kloster Amorbach als Schultheiße eingesetzt. Der evangelischen Mehrheit gelingt es schließlich, den katholischen Schulzen loszuwerden, die katholische Minderheit an den Ortsrand (Sindolsheimer Straße) abzudrängen, den katholischen Schulmeister abzusetzen, den Bau einer katholischen Kapelle und katholische Gottesdienste in einem Privathaus zu verhindern. Anfangs scheint das Verhältnis zwischen den Konfessionen im Ort verträglich gewesen zu sein, denn Heiraten und Patenschaften untereinander sind üblich, wobei meistens der Vater die Konfession der Familie bestimmte. Nach dem juristischen Sieg der Lutheraner finden die katholischen Einwohner keine evangelischen Ehepartner mehr im Ort, was bei Bauernfamilien auf die Dauer gesehen zu einem wirtschaftlichen Niedergang führen muß. Als Handwerker, nämlich als Wagner und als Schmiede, waren die Katholiken im Ort geschätzt und einige wurden auch zu Gemeinderäten gewählt. Um 1900 sind die letzten beiden alteingesessenen katholischen Familien von Bofsheim weggezogen.
Für das 18. Jahrhundert sind einige Juden in Bofsheim belegt, im 19. Jahrhundert leben hier keine Juden mehr.
Die Gemeinde
Schon 1395 ist ein Hirtenhaus und eine Mühle belegt . Im Hirtenhaus wohnen der von der Gemeinde angestellte Viehhirte und der Schweinehirt. Möglicherweise werden beide Posten von einer einzigen Familie ausgefüllt. Der Viehhirte treibt das Rindvieh zur Weide auf die Brachfelder oder in den Wald, der Schweinehirt hütet die Schweine im Wald. Als Belohnung bekommen die Hirten von der Gemeinde freie Wohnung im Hirtenhaus und das nötige Brennholz, von den Bauern für jedes Stück Vieh oder Schwein eine gewisse Menge an Korn, Dinkel und Hafer. Das Hirtenhaus dient zugleich der Gemeinde als Armenhaus. Der Gemeinde gehört auch ein Schafhaus mit Schafscheuer. Darin wohnt der jährlich neu eingestellte Schäfer , der eigene Schafe und solche der Bürger, insgesamt 520 Stück, auf der gesamten Bofsheimer, der gesamten Gieser (worüber es Streit mit Osterburken gibt) und sogar auf einem Teil der Osterburkener Gemarkung weiden darf. (Die Pächter des Dörrhofes dürfen nochmal 400 Schafe auf Bofsheimer Gemarkung weiden).
Außerdem besitzt die Gemeinde das Schul- und Rathaus. Auf dem Rathaus versammeln sich, so oft nötig, alle Bürger Bofsheims (1668 sind es 48, 1751 sind es 66 und 1800 sind es 72 Bürger). Jeder männliche, verheiratete und mit genügend Grundbesitz ausgestattete Einwohner Bofsheims gilt als ein Bürger, sofern er in Bofsheim geboren oder durch Bezahlung eines Einzugsgeldes von der Gemeinde als ein Bürger aufgenommen wurde. Als Rechte stehen ihm zu: die Teilnahme an der Gemeindeversammlung, der kostenlose Bezug von Bau- und Brennholz. Als Pflichten übernimmt er: Stellung eines Feuereimers und Hilfe bei Brandfällen, Straßen- und Wegebau für die Gemeinde (Gemeindefronen) .
Die Herrschaft bestimmt den Schultheißen, den oder die Centschöffen, die Feldschieder und das Gericht, eine Art Gemeinderat. Alle diese Ämter werden normalerweise bis zum Lebensende ausgeführt . Der Schultheiß vertritt im Zweifelsfall die Interessen der Herrschaft, von der er auch besoldet wird. Wogegen die Interessen der Gemeinde eher von den beiden Bürgermeistern, die vom Gericht gewählt sind, vertreten werden. Im ersten Jahr führt der „alte“ Bürgermeister die Gemeindegeschäfte und der „junge“ hilft ihm dabei, im zweiten Jahr scheidet der „alte“ aus, der „junge“ wird zum „alten“ und ein neuer „ junger“ wird hinzugewählt . Diese Art von Bürgermeister war üblich bis zum Übergang an den badischen Staat, dort wird der Schultheiß Vogt oder Bürgermeister genannt, der von den Bürgern für eine Amtsperiode gewählt und von der Gemeinde bezahlt wird. Der Gemeinderechner übernimmt jetzt die Aufgaben der alten Bürgermeister.
Die Gemarkung
Der Eigentümer der meisten Güter ist bis zur „Bauernbefreiung“ im 19. Jahrhundert das Kloster Amorbach. Doch diese Güter sind in Erbleihe gegen entsprechende Zinszahlungen an die Bauern vergeben, das Kloster kann über die Grundstücke nicht verfügen. Einige Güter gehören der jeweiligen Ortsherrschaft, doch in deren unmittelbarem Eigentum befinden sich nur die Zehntscheuer (wo der Zehnte bis zum Dreschen eingelagert wird; nach dem Dreschen wird das Getreide, wenn es nicht sofort verkauft wird, im Dachboden der Kirche gelagert), die Herrenwiese (an die Dörrhöfer verpachtet) und die Schulzenwiese (die der Schultheiß als Teil seiner Besoldung bewirtschaftet). Das Grundeigentum der Gemeinde besteht 1751 aus sechs Waldstücken und einem Acker.
Zum Unterhalt der Kirche und des Pfarrers dienen die Kirchengüter, zum Unterhalt des Lehrers die Schulgüter.
Die Wiesen links und rechts des Baches waren vor der Einführung des Kleeanbaues die begehrtesten Grundstücke und entsprechend klein waren sie zer stückelt. Alle Wiesen, bis auf die „Dörren Wiesen“ (dort wo später die Pulvermühle stand), konnten durch Gräben bewässert werden.
In der Mitte des letzten Jahrhunderts wurde die Gieser Gemarkung unter die Gemeiden Rosenberg, Osterburken und Bofsheim aufgeteilt. Außer Gies ist auf Bofsheimer Gemarkung keine abgegangene
Siedlung vorhanden.
Die Gemarkung wurde , je nach Nutzung, unterschieden in: Holz, Wiesen, Gras- oder Baumgärten, Krautgärten, Ortsetter (mit Hausplätzen, Haus- oder Sommergärten) und Äcker (wegen der Dreifelderwirtschaft eingeteilt in Sindolsheimer, Eberstadter und Schlierstadter Flur).
Impressum
Herausgeber: Chorvereinigung „Eintracht“ Bofsheim
Redaktionelle Bearbeitung: Christa Etzel-Märker
Vereinsgeschichte: Albert Bauer
Ortsgeschichte: Walter Goll
Textverarbeitung: Helga Fischer
Fotos: Karl Hess
Titelseite: Anna Gerber, Bad Tölz